Patenschafts-Tandems im Porträt

Liudmyla und Raik

In einem neuen Land Fuß zu fassen, ist eine Herausforderung. Gut, wenn jemand dabei zur Seite steht!

Raik und Liudmyla sind seit 2023 in einem Patenschafts-Tandem und haben schon viel mit- und voneinander gelernt. In einem Interview haben sie uns einen Einblick darüber gegeben, was ihre Chancenpatenschaft ausmacht.

Wie seid ihr zu den "Chancenpatenschaften" gekommen?

Liudmyla: Eine Freundin, die auch am Projekt teilnimmt, hat mir davon erzählt.

Raik: Ich hatte gelesen, dass dringend Leute gesucht werden, die sich engagieren, um Neuankömmlinge aus anderen Ländern ein bisschen zu unterstützen – sei es sprachlich oder organisatorisch, damit sie sich hier besser zurechtfinden. Da dachte ich mir: Okay, ich habe ein bisschen Zeit, die ich nutzen kann.

Ich finde es wichtig und schön, wenn man anderen mit kleinen Dingen helfen kann. Am Anfang hatte ich Bedenken, weil ich dachte, ich könnte nicht viel bieten: ich bin nicht handwerklich begabt, habe keine besonderen Sprachkenntnisse außer Deutsch und kenne mich auch mit rechtlichen Sachen nicht so gut aus. Aber ich kann eben Deutsch sprechen und kenne das Leben, wie es hier ist – und das kann für andere Leute einfach eine Bereicherung sein.

Ich dachte, 1–2 Stunden pro Woche kann ich mir vorstellen, und da habe ich gemerkt: Das, was für mich wenig erscheint, das kann für andere schon etwas sein. Man kriegt auf jeden Fall viel Dankbarkeit zurück. Das war jetzt nicht das Ziel, aber das nimmt man natürlich trotzdem gerne mit.

Raik und Liudmyla

Wie gestaltet sich eure Patenschaft?

Liudmyla: Ich treffe mich einmal pro Woche mit Raik. Wir lernen zusammen Deutsch, mit Übungen zur Grammatik. Außerdem hilft Raik mir bei anderen Fragen, zum Beispiel bei Fragen zur Wohnung, zu Dokumenten, Strom oder wie bestimmte Dinge in Deutschland funktionieren, das Arbeiten und Leben hier. Das ist für mich sehr wichtig.

Raik: Wir treffen uns in der Ernst-Abbe-Bücherei und beschäftigen uns meistens erst einmal mit Grammatik. Aber wenn es Fragen zu persönlichen Dingen oder zu Dokumenten gibt, bin ich natürlich auch ein guter Ansprechpartner. Ich kann dann mit den Behörden kommunizieren, direkt anrufen und das mündlich klären. Manchmal erkläre ich auch, wie das Leben in Deutschland funktioniert – das kann durchaus auch mal lustig sein (beide lachen).

Liudmyla: Ja, und ich finde es auch sehr toll, dass wir bei Gruppentreffen zusammenkommen, sprechen und neue Informationen über Veranstaltungen oder andere Dinge bekommen können.

Raik: An den Gruppentreffen nehme ich auch gerne teil, gemeinsam mit Liudmyla oder auch allein. Ich finde diese Treffen sehr spannend und interessant, weil ich da immer sehe, was andere Mentor*innen und Mentees so machen und was die für Ideen haben. Da kann man sich austauschen und Tipps geben untereinander. Die Gemeinschaft ist einfach schön, wenn man auch in großer Runde Spaß und Entspannung haben kann. Da bin ich sehr dankbar, dass es das gibt.

Was habt ihr durch die Patenschaft gelernt?

Liudmyla: Raik hilft mir mit deutscher Grammatik und mein Hörverstehen zu verbessern, das ist sehr wichtig für mich. Als ich mich auf die B1-Prüfung vorbereitet habe, war das eine sehr große Unterstützung für mich. Ich verstehe jetzt viel besser als beim Anfang in Deutschland, als vieles sehr schwer war und ich nichts verstanden habe. Jetzt verstehe ich besser und es ist nicht mehr so stressig.  

Raik: Ich habe viel über die deutsche Sprache gelernt. Zum Beispiel die sechs Modalverben, die hatte ich natürlich lange vergessen. Es ist auch eine Herausforderung, die ich aber auch schätze, weil ich selbst die deutsche Sprache mag.

Liudmyla: Hier in Deutschland funktioniert das Gesetz und die Leute halten sich an das Gesetz. Die Menschen sind oft sehr freundlich und hilfsbereit, wenn sie verstehen, dass du aus dem Ausland kommst. Das war für mich eine große Überraschung. Und es gibt andere Regeln, viele Termine, viel Bürokratie. Das ist neu. Und deutsche Leute sind sehr pünktlich. Aber für mich ist das gut, Zeit muss man gut nutzen.

Raik: Mein Wissen über bestimmte Sachen, die in der Ukraine anders laufen als bei uns, hat sich erweitert. Weil man doch ab und zu neben den formalen Grammatik-Übungen, die wir machen, mal abschweift und wir dann über das Leben sprechen, wie es bei uns ist und in der Ukraine ganz anders.  

Was schätzt ihr in eurer Patenschaft?

Liudmyla: Raik ist immer höflich und auch humorvoll. Wir lachen oft zusammen, das ist toll.

Raik: Wir wurden ja nicht ausgewürfelt, sondern ich habe mich beschrieben und daraufhin erfolgte das Matching. Wir haben ähnliche Denkweisen und haben auch einen guten Humor gemeinsam. Toll finde ich außerdem zu sehen, dass Liudmylas Sprachkompetenz unheimliche Fortschritte gemacht hat.

Was plant oder wünscht ihr euch für die Zukunft?

Liudmyla: Mein Ziel ist das B2-Zertifikat. Danach möchte ich mich weiterbilden und als Buchhalterin arbeiten.

Raik: Ich wünsche dir natürlich, dass du weiterhin so gut vorankommst. Ich hoffe auch, dass du beruflich gut vorwärtskommst und eine gute Stelle als Buchhalterin findest. Das Deutschlernen ist ja nur die Grundlage, um deine Ziele zu erreichen. Und ich sehe, wie aktiv du an allem arbeitest. Du machst sehr viel und bist offen. Ich bin optimistisch, dass du einen schönen Beruf findest.

Habt ihr Tipps für Menschen, die noch überlegen, ob sie bei den Chancenpatenschaften teilnehmen sollen?

Liudmyla: So eine Möglichkeit sollte man nutzen. In einer Patenschaft kann man viel lernen und auch Spaß haben. Das ist ein großes Geschenk.

Raik: Ich kann es nur jedem empfehlen, über den eigenen Schatten zu springen und mögliche Ängste mal zur Seite zu stellen. Wichtig ist natürlich das Interesse an anderen Menschen und Kulturen. Eine gewisse Neugier ist schon gut, wenn man die hat. Jeder kann irgendetwas beitragen, egal wie wenig es scheint. Es gibt viele Menschen, die schon für kleine oder punktuelle Unterstützung sehr dankbar wären. Selbst wenn man nur wenig Zeit hat, findet sich etwas Passendes. Einfach vorbeikommen und reinschnuppern, ob es einem gefällt. Oft merkt man dann, dass das Interesse da ist und man mehr beitragen möchte.
Deswegen: Einfach aufraffen und herkommen.